Ein Anfang ist gemacht

Grü­ne Stadt­teil­grup­pe sieht sich bestä­tigt — Dia­log im Stadt­teil muss fort­ge­setzt werden

03.10.2001. “Ein Anfang ist gemacht, aber wir müs­sen den Dia­log im Stadt­teil jetzt auch fort­set­zen”, fasst Ulri­ke Joest die von der grü­nen Stadt­teil­grup­pe am 2. Okto­ber durch­ge­führ­te Ver­an­stal­tung zusam­men. Kurz­fris­tig ver­such­te die Stadt­teil­grup­pe auf die­sem Weg, Men­schen aus dem Stadt­teil mit­ein­an­der ins Gespräch zu brin­gen und vor allem den Kon­takt zwi­schen Mus­li­men und Nicht-Mus­li­men nicht abrei­ßen zu las­sen. “Wir konn­ten die Sprach­lo­sig­keit nach dem 11. Sep­tem­ber nicht ste­hen las­sen”, unter­streicht Joest noch­mals die Moti­va­ti­on für die Ver­an­stal­tung, “es galt, Unsi­cher­hei­ten im gegen­sei­ti­gen Umgang auf­zu­klä­ren und Miss­trau­en entgegenzutreten.”

Die Stadt­teil­grup­pe lud des­halb zu einer Dis­kus­si­on ein, an der sich auf dem Podi­um Veci­he Dir­lik, Schü­le­rin am SZ Pes­ta­loz­zi­stra­ße, Bernd Peters, ehe­ma­li­ger Orts­amts­lei­ter im Bre­mer Wes­ten, Maria Hamm-Krous­tis, Grö­pe­lin­ger Ein­zel­händ­le­rin, Edhem Dir­lik von Vat­an Spor, Abdul­ke­rim Sari von der Fatih-Moschee sowie Ulri­ke Joest von der grü­nen Stadt­teil­grup­pe betei­lig­ten. Mode­riert wur­de die Ver­an­stal­tung von Mat­thi­as Güld­ner, innen- und migra­ti­ons­po­li­ti­scher Spre­cher der Bür­ger­schafts­frak­ti­on Bünd­nis 90/ Die Grünen.

Allen Bei­trä­gen war neben der Betrof­fen­heit und dem Unver­ständ­nis über die Atten­ta­te in New York und Washing­ton die Angst vor wei­te­ren Anschlä­gen, aber auch Unge­wiss­heit über die Reak­ti­ons­wei­se der USA und der NATO gemein. “Alle waren ent­setzt und spach­los”, berich­te­te Bernd Peters, der von den Atten­ta­ten wäh­rend eines Por­tu­gal-Auf­ent­halts erfuhr. Danach war es für vie­le wich­tig, Infor­ma­tio­nen und Gefüh­le aus­zu­tau­schen. “In mei­nem Laden war das Bedürf­nis nach Trau­er­ar­beit zu spü­ren”, berich­te­te Maria Hamm-Krous­tis. Von umfang­rei­chen und kon­tro­ver­sen Dis­kus­sio­nen über das War­um und Wie­so der Atten­ta­te und deren Fol­gen berich­te­te Veci­he Dir­lik. Aber auch hier: all­ge­mei­nes Unver­ständ­nis. “Wie gehen wir damit um?”, war die zen­tra­le Fra­ge für den Vor­stand von Vat­an Spor, aber auch: “Müs­sen wir neue Anschlä­ge auf unse­re Ein­rich­tung befürch­ten?” Der Vor­stand, so Edhem Dir­lik, sieht sich in sei­nem Ent­schluss, jetzt erst recht vor allem im per­sön­li­chen Umfeld das Gespräch zu suchen, bestä­tigt. Trotz­dem blie­ben zumin­dest ver­ba­le Angrif­fe auf Mus­li­me nicht aus. Rat­lo­sig­keit herrsch­te dage­gen in der Fatih-Moschee, nach­dem in einem Bericht der “Welt am Sonn­tag” die in Deutsch­land ein­zi­ge gemein­sa­me reli­giö­se Fei­er, die am Frei­tag nach den Atten­ta­ten Mus­li­me, Pro­tes­tan­ten und Katho­li­ken zusam­men­ge­führt hat­te, als “Heu­che­lei” dar­ge­stellt wur­de. “Wir ver­such­ten etwas zu tun, auch wenn es nur ein Trop­fen auf den hei­ßen Stein war. Nach dem Bericht fühl­ten wir uns wie vor den Kopf gesto­ßen”, so Abdul­ke­rim Sari von der Fatih-Moschee.

Nach den Atten­ta­ten wur­de in den Medi­en viel über den Islam und Mus­li­me berich­tet, aber nicht mit Mus­li­men gespro­chen”, berich­te­te Edhem Dir­lik von sei­nen Erfah­run­gen. Dabei gebe es vie­le posi­ti­ve Bei­spie­le, wie Mus­li­me und Nicht-Mus­li­me in Grö­pe­lin­gen nicht nur neben­ein­an­der, son­dern tat­säch­lich auch mit­ein­an­der leb­ten. Dass sich Grö­pe­lin­gen dies­be­züg­lich posi­tiv und durch­aus bei­spiel­haft ent­wi­ckelt hat, beton­ten sowohl Ulri­ke Joest als auch Bernd Peters.

Trotz­dem wis­sen wir immer noch zu wenig von­ein­an­der”, stell­te Ulri­ke Joest fest. Glei­ches the­ma­ti­sier­ten Bei­trä­ge aus dem Publi­kum. “Nein, eine dem Papst ver­gleich­ba­re Insti­tu­ti­on, die den Glau­ben aus­legt, gibt es im Islam nicht”, stell­te Sari klar. Es gebe aber z. B. ver­schie­de­ne Hoch­schu­len, die in Glau­bens­fra­gen eine wich­ti­ge Stel­lung ein­näh­men. Sari unter­strich gleich­zei­tig auch, dass Zwang dem Islam fremd sei. Auf den Vor­wurf, die Fatih-Moschee und die Isla­mi­sche Föde­ra­ti­on distan­zier­ten sich zu wenig von extre­mis­ti­schen Grup­pen, erwi­der­te Sari, “dass wir oft in einem Atem­zug mit extre­mis­ti­schen Grup­pen genannt wer­den. Sowohl gegen­über den Medi­en als auch der Öffent­lich­keit ist es schwie­rig, ein dif­fe­ren­zier­tes Bild zu vermitteln.”

Die Bre­mer Mus­li­me sit­zen in der Fal­le”, so Mat­thi­as Güld­ner zum Abschluss der Dis­kus­si­on. Mit­te der 90er Jah­re sei­en sie und ihre Orga­ni­sa­tio­nen auf­ge­for­dert wor­den, sich mehr der Gesell­schaft zu öff­nen. Nach­dem die­se Öff­nung immer mehr voll­zo­gen wer­de, tau­che der Vor­wurf auf, dass dies eine beson­ders per­fi­de Form der Täu­schung sei.

Ein Grund mehr, den Dia­log im Stadt­teil fort­zu­set­zen. Über die kul­tu­rel­len Schran­ken hin­weg müs­sen wir noch mehr Aus­tausch errei­chen.”, stellt Joest für die Stadt­teil­grup­pe abschlie­ßend fest. “Wenn uns der 11. Sep­tem­ber etwas lehrt, dann die Not­wen­dig­keit, dass wir in unse­rer Ver­schie­den­heit auf­ein­an­der zuge­hen müs­sen, denn Grö­pe­lin­gen hat durch­aus etwas zu verlieren.”

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