Sitzungstermin mit dem Jobcenter West am 23.04.2014

Auf Initia­ti­ve unse­res Aus­schuss­vor­sit­zen­den „Arbeit … „ hat­ten sich die Aus­schüs­se „Arbeit …“ und „Sozia­les …“ fast 2 Stun­den mit dem Lei­ter des Job­cen­ters West ausgetauscht.

Mit unse­rem Ver­weis auf die Inter­net­sei­te des sta­tis­ti­schen Lan­des­am­tes kommt man zum Daten­an­ge­bot Bre­men klein­räu­mig, in dem man vie­le Daten­rei­hen bezo­gen auf den Stadt­teil Grö­pe­lin­gen und die 5 Orts­tei­le abru­fen kann.

Trotz all­ge­mei­nen Berich­ten über eine sin­ken­de Arbeits­lo­sig­keit oder sogar einen Man­gel an Aus­zu­bil­den­den in bestimm­ten Beru­fen muss man fest­stel­len, das die Arbeits­lo­sen­quo­te in Grö­pe­lin­gen in den letz­ten 6 Jah­ren sta­bil um 27 % geblie­ben ist. Aus der Sta­tis­tik allein kann man also kei­ne Ver­bes­se­rung erken­nen. Wei­ter lie­fert die Sta­tis­tik z. B. fol­gen­de (den Insi­dern nicht neue) Erkenntnisse:

O 30 % der Men­schen zwi­schen 18 und 65 Jah­ren in Grö­pe­lin­gen sind im SGB-II-Bezug. Bei der Alters­se­lek­ti­on 0 bis 65 Jah­ren sind es 33 %. D. h., im Schnitt sind mehr Men­schen unter 18 Jah­ren im SGB-II-Bezug als Älte­re. In Zah­len sind es per 30.09.2013 ca. 9.700 Men­schen und davon ca. 6.700 im erwerbs­fä­hi­gen Alter.

O 45 % der Aus­län­der in Grö­pe­lin­gen sind im SGB-II-Bezug.

 

O Per 30.09. 2013 sind ca. 42 % der erwerbs­fä­hi­gen Men­schen im SGB-II-Bezug Aus­län­der. Die­ser Anteil hat sich ggü. den Vor­jah­ren erhöht.

O Ca. 50 % der erwerbs­fä­hi­gen Men­schen im SGB-II-Bezug sind Frauen.

O Ca. 13 % der erwerbs­fä­hi­gen Men­schen im SGB-II-Bezug sind Alleinerziehende.

O Ca. 52 % der erwerbs­fä­hi­gen Men­schen im SGB-II-Bezug sind sta­tis­tisch betrach­tet nicht arbeits­los. Son­dern sie sind z. B. Auf­sto­cker, in einer arbeits­markt­po­li­ti­schen Maß­nah­me, machen eine unge­för­der­te Aus­bil­dung, ste­hen auf­grund von Erzie­hung bzw. Pfle­ge dem Arbeits­markt tem­po­rär nicht zur Ver­fü­gung oder sind zum Stich­tag schlicht krank gemel­det bzw. wer­den therapiert.

D.h., das man von der Anzahl der erwerb­fä­hi­gen Men­schen im SGB-II-Bezug von ca. 6.700 Men­schen per 30.09.2013 ca. 50 % abzie­hen kann, die ent­we­der arbei­ten aber damit nicht genug zum Lebens­un­ter­halt (der Fami­lie) ver­die­nen, auf­grund ver­schie­dens­ter Grün­de aktu­ell nicht arbei­ten kön­nen oder bei denen eine arbeits­markt­po­li­ti­sche Maß­nah­me läuft.

Es ver­bleibt die ande­re Hälf­te, die zusam­men mit per 30.09.2013 ca. 420 Arbeits­lo­sen­geld-I-Emp­fän­gern die Anzahl der arbeits­lo­sen Men­schen im erwerbs­fä­hi­gen Alter von ca. 3.600 Men­schen per 30.09.2013 ergibt.

 

O Ende 2013 sind 54 % der Arbeits­lo­sen in die Kate­go­rie “lang­zeit­ar­beits­los“ gemäß der Defi­ni­ti­on des § 18 SGB III ein­ge­stuft, d.h., sie sind min­des­tens ein Jahr arbeitslos.

Hier muss man akzep­tie­ren, das unter den Lang­zeit­ar­beits­lo­sen ein sehr hoher, aber nicht näher bezif­fer­ba­rer Anteil auf dem ers­ten Arbeits­markt ohne eine Ände­rung bei den Anfor­de­run­gen z.B. aus gesund­heit­li­chen Grün­den nicht mehr ver­mit­tel­bar ist. Daher gehen For­de­run­gen zum Abbau der Lang­zeit­ar­beits­lo­sig­keit ohne die Bereit­schaft zum diri­gis­ti­schen Ein­griff in die Arbeits­welt des ers­ten Arbeits­mark­tes auch in wei­ten Tei­len an der Rea­li­tät vor­bei. Für die­se Men­schen wird dau­er­haft ein zwei­ter Arbeits­markt benö­tigt, der auf ihre Ein­schrän­kun­gen Rück­sicht neh­men kann.

Unter der schwarz-gel­ben Bun­des­re­gie­rung war eine Bereit­schaft zur Aner­ken­nung die­ses Sach­ver­halts nicht vor­han­den und die arbeits­markt­po­li­ti­schen Maß­nah­men sind sogar immer mehr zurück­ge­fah­ren wor­den. Man hat sich schlicht mehr an Ingol­stadt als an Bre­men ori­en­tiert. Ob sich das mit der neu­en Regie­rungs­kon­stel­la­ti­on ändert, muss abge­war­tet werden.

D.h., das man von den ca. 3.600 arbeits­lo­sen Men­schen die ca. 400 Arbeits­lo­sen­geld-I-Emp­fän­ger und vllt. ca. 1.500 Lang­zeit­ar­beits­lo­se der o.g. Kate­go­rie abzie­hen kann, so dass von den ein­gangs genann­ten 6.700 SGB-Emp­fän­gern auf eine Anzahl von noch ca. 1.700 erwerbs­fä­hi­gen Men­schen kommt, die rein sta­tis­tisch irgend­wie nicht zuge­ord­net wer­den kann.

Jetzt kommt aber der ent­schei­den­de Umstand, das eine Stich­tags­sta­tis­tik kei­ne Bewe­gun­gen im Zeit­ab­lauf ver­zeich­net. Ganz grob geschätzt gibt der Job­cen­ter­lei­ter West monat­lich ca. 40 Weg­zü­ge aus dem SGB-II-Bezug und ca. 100 Zuzü­ge in den SGB-II-Bezug an (bezo­gen auf das Gebiet des Job­cen­ters West – also Grö­pe­lin­gen plus Post­leit­zahl 28219 Wal­le). Der Bre­mer Wes­ten ver­fügt über eine hohe Dich­te an diver­sen sozia­len För­der­ein­rich­tun­gen, die es in ande­ren Stadt­tei­len wie z. B. Borg­feld nicht gibt. Auch das führt dazu, das vie­le Men­schen in beson­de­ren Lebens­la­gen nach Grö­pe­lin­gen zie­hen. Hin­zu kommt, das die Mie­ten in Grö­pe­lin­gen noch ver­gleichs­wei­se nied­rig sind.

Im Jahr 2013 hat das Job­cen­ter West z. B. 1.400 Men­schen in eine wie auch immer aus­se­hen­de Arbeit ver­mit­telt. Im Lau­fe des Jah­res konn­ten 300 Men­schen eine Arbeit fin­den mit der sie soviel Geld ver­die­nen, das sie kei­nen SGB-II-Anspruch mehr haben. Durch den Weg­zug von Men­schen mit Arbeit aus dem Bereich des Job­cen­ters West und den Zuzug von wie­der mehr Men­schen mit Anspruch auf SGB-II-För­de­rung kom­men somit die erziel­ten Erfol­ge des Job­cen­ters nicht in der Sta­tis­tik an. Inso­fern ist es aus Sicht des Job­cen­ter­lei­ter West als Erfolg zu sehen, das die Arbeits­lo­sen­zah­len gehal­ten wer­den konnte.

Bedenkt man, das bei jedem Neu­zu­gang erst ein­mal die Ver­sor­gung des Men­schen im Vor­der­grund steht – in die­sem Bereich arbei­tet der Haupt­teil der Job­cen­ter­mit­ar­bei­ter — und die Einschätzung/Beratung zur Arbeits­auf­nah­me dau­ert, kommt man dann zum Ergeb­nis, das die sta­tis­ti­schen Anga­ben in etwa nach­voll­zieh­bar sind. Und das der Ver­mitt­lungs­be­reich des Job­cen­ters West mit den vor­han­de­nen (gekürz­ten) Mit­teln eine gute Arbeit leis­tet, die aber am Ende des Jah­res in der rei­nen Bestands­sta­tis­tik lei­der nicht sicht­bar wird.

 

Das Gespräch ergab noch wei­te­re Erkennt­nis­se und wich­ti­ge Informationen:

 

Ende 2013 sind 10 % der Arbeits­lo­sen bis 25 Jah­re alt. Die­se Quo­te ist über die letz­ten 6 Jah­re gese­hen gleich geblie­ben. Ende 2011 lag sie aber schon ein­mal bei nur 7,7 %. Trotz aller Berich­te wie wich­tig der Abbau der Jugend­ar­beits­lo­sig­keit ist, ist rein sta­tis­tisch auch hier kei­ne Ver­bes­se­rung zu erkennen.

Der Job­cen­ter­lei­ter West mein­te, das es weni­ger die schu­li­schen Noten sind die Pro­ble­me berei­ten. Auf­grund des gerin­gen Ange­bots an Jugend­li­chen sind die Betrie­be heu­te eher als frü­her bereit z. B. man­geln­de Recht­schreib- oder Mathe­ma­tik­kennt­nis­se selbst zu ver­bes­sern. Haupt­pro­ble­me sind die klas­si­schen The­men im zwi­schen­mensch­li­chen Umgang: Pünkt­lich­keit am Arbeits­platz, Durch­hal­te­ver­mö­gen auch bei Frus­tra­ti­ons­er­leb­niss­sen, Team­fä­hig­keit, Freund­lich­keit ggü. z. B. Kun­den (Kun­dendienst).

 

Die Job-Offen­si­ve läuft wei­ter. Das Job­cen­ter West hat 6 alte und 6 neue Mit­ar­bei­ter in die­sem Ver­mitt­lungs­be­reich, die zusam­men ver­su­chen ca. 600 „Kurz­zeit­ar­beits­lo­se“ und 600 SGB-II-Lang­zeit­be­zie­her (d.h. län­ger als 2 Jah­re) in Arbeit zu ver­mit­teln. Trotz ers­ter nega­ti­ver Pres­se­be­rich­te ist dazu ein abschlie­ßen­des Fazit noch nicht mög­lich. Der Job­cen­ter­lei­ter West ist optimistisch.

 

Beim Job­cen­ter West sind aktu­ell 460 erwerbs­fä­hi­ge Men­schen aus Bul­ga­ri­en im SGB-II-Bezug – Kin­der kom­men noch hin­zu. Das dürf­te geschätzt ca. ein Drit­tel aller Men­schen aus Bul­ga­ri­en im Ein­zugs­be­reich sein und somit unter­schei­det sich der Anteil der­zeit nicht ggü. dem Durch­schnitt aller Men­schen in Grö­pe­lin­gen. Auf­fal­lend ist aller­dings, das von den 460 Men­schen 320 Men­schen aus dem sel­ben Dorf kom­men – ver­mut­lich im Ein­zugs­be­reich der Stadt Ras­grad (Raz­grad) in Nord-Ost-Bul­ga­ri­en. Die Men­schen kom­men mit den glei­chen Dol­met­schern ins Job­cen­ter. Man kann dahin­ter „Schleu­ser­kri­mi­na­li­tät“ ver­mu­ten, die ihren Anteil am SGB-II-Geld von den Emp­fän­gern kas­siert. Der Nach­weis fällt auf­grund der Abschot­tung der Grup­pe aber schwer. Die­se Men­schen sind nur äußerst schwer in den Arbeits­markt zu ver­mit­teln und der Job­cen­ter­lei­ter West geht davon aus, das der Groß­teil von ihnen zu Lang­zeit­be­zie­hern wird. Dies ist eine besorg­nis­er­re­gen­de Ent­wick­lung, die aller­dings auch staat­li­che Ord­nungs­kräf­te im Blick haben. Sie­he dazu in den nächs­ten Tagen den noch ein­zu­stel­len­den Fol­ge-Bei­trag mit dem Papier der Staats­rä­te­run­de zur Zuwan­de­rung aus EU-Osteuropastaaten.

 

Wei­te­res The­ma war die In-Job-Pro­ble­ma­tik – Stich­wor­te Zusätz­lich­keit und Wett­be­werbs­neu­tra­li­tät. Der Job­cen­ter­lei­ter West ist auch Koor­di­na­tor des ein­ge­setz­ten Arbeits­krei­ses. Weni­ger bekannt ist vllt, das die DEHOGA (Deut­scher Hotel- und Gast­stät­ten­ver­band) sehr kri­tisch auf die Hand­ha­bung in Bre­men geschaut hat. Auch haben sich In-job­ber in ein nor­ma­les Arbeits­ver­hält­nis ein­ge­klagt. Der Arbeits­kreis tagt wei­ter zu dem The­ma und will prak­ti­ka­ble Lösun­gen fin­den. Sie­he hier­zu auch die Presseberichte.

 

Von den in der Spit­ze 6.000 In-jobs in Bre­men gibt es der­zeit noch ca. 2.000. Zum 01.04.2014 griff zum ers­ten Mal die neue Bestim­mung, das in 5 Jah­ren nur 2 Jah­re lang ein In-Job gemacht wer­den darf. In der Fol­ge muss­ten (nach 2 Jah­ren) zum 01.04.2014 ca. 400 In-job­ber ihre Arbeit auf­ge­ben, was manch­mal trä­nen­reich war, denn Arbeit ist nicht nur Geld­erwerb. Erschwe­rend kommt jetzt hin­zu, daß das Job­cen­ter West unter den SGB-II-Bezie­hern gar nicht mehr so vie­le geeig­ne­te Men­schen hat, die als In-job­ber nach­fol­gen könnten.

Wie das vom Land Bre­men ange­dach­te Nach­fol­ge-instru­ment für die In-jobs umge­setzt wer­den kann, ist der­zeit in der recht­li­chen Prü­fung. Es darf z. B. nicht sein, das damit die o.g. Bun­des­be­stim­mung mit den maxi­mal 2 Jah­ren aus­ge­he­belt wird.

 

Wel­chen Fol­gen der Regie­rungs­wech­sel im Bund hat, ist noch nicht abseh­bar — mit einer grü­nen Regie­rungs­be­tei­li­gung wäre sicher mehr mög­lich gewe­sen als das was jetzt zu erwar­ten ist. Sie­he dazu trotz Haus­halts­not­la­ge den Ersatz von weg­fal­len­den ESF-Mit­teln durch Lan­des­mit­tel in der kom­men­den EU-För­der­pe­ri­ode. Beim Job­cen­ter West gibt es z. B. noch kei­ne belast­ba­ren Infor­ma­tio­nen zum geplan­ten Bun­des­pro­gramm gegen Lang­zeit­ar­beits­lo­sig­keit. Frü­he­re Pro­gram­me bedeu­te­ten bei der Umset­zung von „guter Absicht oben“ bis „zur Ankunft unten“ aller­dings eine Ver­kom­pli­zie­rung mit der Fol­ge, das die Vor­schrif­ten gar nicht mehr auf den Bedarf vor Ort pass­ten. Den Bedarf vor Ort inner­halb der Bun­des­agen­tur nach oben (Nürn­berg) und dann mit den Vor­stel­lun­gen der jeweils regie­ren­den Bun­des­par­tei­en so zu ver­knüp­fen, das man am Ende in Grö­pe­lin­gen damit das machen kann was man wirk­lich braucht, ist sehr schwierig.

 

Das durch­schnitt­li­che Bil­dungs­ni­veau der Arbeits­lo­sen ist in Grö­pe­lin­gen ver­gleichs­wei­se nied­rig. Daher erfolgt eine Ver­mitt­lung oft in den Hel­fer­be­reich von Zeit­ar­beits­fir­men oder in nied­rig bezahl­te Arbei­ten. Es gab aber auch schon durch­aus bekann­te Arbeit­ge­ber die Stun­den­löh­ne von letzt­lich nur 2,50 Euro gezahlt haben. Aus den Medi­en ist da das Bei­spiel der Zim­mer­rei­ni­gung in Hotels bekannt gewor­den. Sol­che Arbei­ten müs­sen nicht aus­ge­führt wer­den und das Job­cen­ter geht dem auch wegen Rechts­ver­stö­ßen nach. Trotz­dem gibt es auch in Bre­men Fir­men, die mit dem Hin­weis “Kannst ja auf­sto­cken” ver­su­chen die eige­ne Lohn­zah­lung soweit wie mög­lich zu drü­cken und den Wunsch von Men­schen “irgend­et­was”  zu arbei­ten scham­los für sich ausnutzen.

 

Bezo­gen auf den Leis­tungs­be­reich wur­de dann noch mit­ge­teilt, dass das Job­cen­ter im Herbst 2014 eine neue Soft­ware bekommt. Wie rei­bungs­los die­ser Soft­ware­wech­sel klappt, wird man sehen.

 

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.